Picnic profitiert von finanziellem Polster

18. November 2022 – Zwar schreibt der Lebensmittellieferdienst Picnic immer noch rote Zahlen, dennoch scheint ein Licht am Ende des Tunnels erkennbar. Bei vielen deutschen Standorten soll sich das kaufmännische Ergebnis immer weiter in Richtung einer schwarzen Null entwickeln.

Quelle: Picnic/Wikimedia Commons

Nach der Sonderkonjunktur der Coronajahre müssen die meisten Onlineshops bei ihrer Kostenstruktur gehörig aufpassen. Mit dem Abflauen der politischen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Pandemie hat auch die Nachfrage online nachgelassen. Nun stehen viele Händler mit erweiterten Kapazitäten dar und bleiben teilweise auf Waren sitzen. Selbst bei Amazon wird Personal abgebaut. Der niederländische Lieferdienst Picnic hingegen setzt in Deutschland auf Wachstum. Dafür sollen sogar höhere Verluste weggesteckt werden.

Picnic plant aktuell zusätzliche Standorte in Berlin, Hamburg und weiteren Regionen rund um und in Mannheim und Frankfurt zu entwickeln. Das wird zunächst zu einer weiteren Verschlechterung des Ergebnisses führen. Für dieses Jahr weißt die kürzlich veröffentlichte Bilanz der Edeka-Beteiligung einen Verlust von 68 Mio. Euro aus. Die Expansionsbestrebungen üben zunächst hohen Druck auf die Gesamtrentabilität aus.

Deutschlandchef, Frederic Knaudt, sieht das jedoch in einem Gespräch mit der Lebensmittelzeitung recht entspannt. In Bezug auf die Entwicklung eines neuen Standortes sagt er: „Das dauert pro Standort in der Regel zwölf bis 18 Monate“. Picnic ist mittlerweile in über 60 deutschen Städten aktiv und soll in einem Großteil davon mittlerweile Gewinne erwirtschaften. Wichtig für einen wirtschaftlich effizienten Betrieb ist eine gute Auslastung. Das wiederum ist nur möglich, wenn das Liefergebiet hinreichend verdichtet ist, sodass ein Fahrer pro Stunde sechs bis sieben Lieferungen ausfährt. Picnic wird nach Angaben von Knaudt immer besser darinnen, diese optimale Auslastung zu erreichen.

Momentan steht keine neue Finanzierungsrunde an. Für die unmittelbar bevorstehende Expansion seien noch ausreichend Gelder vorhanden. Erst 2021 wurde eine Kapitaleinlage von 180 Mio. Euro vom Mutterkonzern eingelegt. Diese war bereits für weiteres Wachstum vorgesehen. Nach Abzug der Verluste dürften für das kommende Jahr 70 Mio. Euro übrig bleiben. Picnic steht wegen dieser finanziellen Flexibilität momentan unter weniger Druck als die meisten Konkurrenten. Egal, ob Gorillas, Delivery Hero oder Flink, bei allen nimmt der Druck der Investoren zu, endlich in die Profitabilität zu kommen.

Picnic dürfte nach Rewe auf Platz zwei der E-Food-Händler in Deutschland liegen: „In unseren Liefergebieten sind wir ganz klar die Nummer eins“, kommentiert Knaudt gegenüber der Lebensmittelzeitung. Aktuell liegen rund 8 Prozent der deutschen Haushalte im Liefergebiet. In den nächsten zwei bis drei Jahren soll jeder zweite Haushalt potenziell beliefert werden können. Zwar ist Picnic heute im Heimatmarkt in den Niederlanden weiter als in Deutschland, aber das größere Wachstumspotenzial wird hierzulande gesehen.

Wenn die Edeka-Beteiligung ihre Pläne wahr macht, wird es auf kurz oder lang zu einem Kampf zwischen Picnic und Rewe kommen. Rewe gibt aktuell an, dass rund 90 Prozent der Haushalte hierzulande erreicht werden können, bezieht dabei aber Abholstationen ein. Nach mittlerweile 10 Jahren ist der Rewe-Lieferdienst auch immer noch nicht profitabel. Es heißt zwar auch von den Kölnern, dass die schwarze Null unmittelbar bevorsteht und dass angeblich einige Lager bereits in der Gewinnzone lägen, am Ende hat jedoch noch kein Händler wirklich mit einer überzeugenden Gewinnausweisung im E-Food-Segment daherkommen können. Rewe scheint jedoch ohnehin in eine andere Richtung zu schielen. Das Click & Collect-Geschäft wird immer weiter ausgebaut, was einer ganz anderen Ausrichtung entspricht, als es bei Picnic der Fall ist.