Lebensmitteleinzelhandel plant mit priorisierter Versorgung im Gasnotfall

08. Juli 2022 – Schon seit längerem wird in Hinblick auf die aktuelle diplomatische Beziehung zwischen Deutschland und Russland sowie dem militärischen Konflikt in der Ukraine befürchtet, dass Gas im Winter Mangelware werden könnte. Mittlerweile warnt auch die Bundesregierung ganz offiziell. Der Handel beginnt entsprechend mit der Lobbyarbeit und versucht die Politik von seiner Wichtigkeit zu überzeugen, um zu verhindern, dass es im Winter besonders kalt wird.

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Sollte sich das Schlimmste Bewahrheiten und im Winter das Gas knapp werden, wird es sich nicht vermeiden lassen, unangenehme Entscheidungen zu treffen. Der Lebensmitteleinzelhandel beginnt schon zeitig mit der Lobbyarbeit, damit, wenn es hart auf hart kommt, ihre Märkte als systemrelevant eingestuft werden und damit priorisierten Zugang zu der wärmebringenden Ressource erhalten würden. Bisher ist die Stimmung unter den Managern zuversichtlich, dass sie auf die Unterstützung der Bundesregierung im Winter setzen können.

Weniger sicher fühlen sich bisher die Betreiber im Nonfood-Einzelhandel. Es ist nicht klar, dass beispielsweise Tierbedarfshändler wie Fressnapf von der Politik ebenfalls als systemrelevant eingestuft werden. Beim Handel mit Tierbedarf ist die Versorgung mit Gas besonders entscheidend, da Tierfutter mittels intensiver Gas-Sterilisation produziert wird. Entsprechend bleiben bei strenger Rationierung nicht nur die Märkte kalt, sondern die Regale auch noch leer. Einige Lieferanten versuchen sich kurzfristig weniger von Gas abhängig zu machen, jedoch benötigen solche Umstellungen Zeit.

Beim Lebensmitteleinzelhandel würde eine politische Priorisierung jedoch nicht alle Probleme lösen. Zwar wären in diesem Falle die Wärme in den Märkten über den Winter sichergestellt, jedoch trifft das nicht notwendigerweise auf die verschiedenen Lieferanten und Produzenten zu. Zulieferer einzelner Sortimentsbereiche könnten als nicht systemrelevant eingestuft werden, was zumindest zu teilweise ausgedünnten oder leeren Regalplätzen führen könnte. Darunter könnten vor allem Kategorien wie Süßwaren, Tabak oder Nonfood-Artikel fallen.

Der Handelsverband versucht die Bundesregierung bereits für die Lieferkettenproblematik zu sensibilisieren. Das Ausbleiben einer Versorgung mit genügend Gas könnte zu Disruptionen im gesamten Produktions- und Lieferprozess sorgen. Beispielsweise wäre es für die Supermärkte und Discounter verheerend, wenn die Vorlieferanten der Hersteller nicht kontinuierlich versorgt werden können. Kommt es tatsächlich zu einer politisch festgelegten Priorisierung, ist jedoch bei der Komplexität der ineinander verwobenen Lieferketten absehbar, dass es zu zusätzlichen Störungen kommen wird.

Die Bundesregierung hat empfohlen, dass Unternehmen sich mit Notfallstromaggregaten gegen mögliche Gas- und Stromausfälle absichern sollen. Dem kommen auch zahlreiche Händler nach, weswegen Momentan Diesel-Notstromaggregate angeschafft werden, damit zumindest die Integrität der Kühlkette aufrecht gehalten werden kann. In vielen Supermärkten wird sowohl die Wärme wie auch der Strom durch Gas gewonnen.

Die Versorgung mit Notstromaggregaten wird jedoch teuer kommen. Neben den grundsätzlichen Anschaffungskosten werden sich die Treibstoffkosten zu einem üppigen Betrag aufsummieren. Größere Märkte oder Lager benötigen zwischen 500 und 1.000 kW/Stunde. Dieselgeneratoren mittlerer Größe bringen eine Leistung von 750 kW. Für diese Leistung würden pro Stunde ca. 200 l Diesel verbraucht werden. Für die größeren Betreiber würden so Zusatzkosten im zweistelligen Millionenbetrag entstehen.