Die Vision von Fressnapf, ein nahtlos verknüpftes Einkaufserlebnis über Online- und Offline-Kanäle hinweg zu bieten, war in der IT-Strategie des Unternehmens bereits fest verankert. Ziel war es, alle Systemlandschaften miteinander zu integrieren – von der Filiale über die App bis hin zum Webshop, um die Kunden mit einem konsistenten Erlebnis auf allen Kanälen zu bedienen. Diese Vision beruhte auf einer zentralen Datenhaltung, die sämtliche Aspekte von Zahlungsprozessen bis hin zu Marketingkampagnen steuert. Enfore, ein Transformationspartner des Unternehmens, hatte maßgeblich zur Umsetzung dieses Plans beigetragen. Doch die Insolvenz von Enfore hat das Vorhaben empfindlich gestört.
Benjamin Beinroth, IT-Chef bei Fressnapf, beschreibt die Situation: „Früher hatten wir eine sehr monolithische IT-Architektur mit vielen separaten Systemen für Kasse, Warenwirtschaft und Filialmanagement. Als wir uns entschieden haben, ein Omnichannel-Händler zu werden, war schnell klar, dass wir diese Systeme nicht einfach miteinander verbinden konnten.“ Enfore war für die Implementierung eines modernen User Interface (UI) verantwortlich, das die Kommunikation zwischen den verschiedenen Systemen optimieren sollte. Der IT-Chef erklärt, dass das Unternehmen die „Intelligenz“ hinter diesen Systemen selbst aufgebaut hat und die Kernprozesse im eigenen Backend verwaltet werden. Trotz der Herausforderungen durch die Insolvenz sieht Beinroth das finanzielle und technologische Risiko als überschaubar an – „der wahre Schmerz ist der Verlust der gewonnenen Zeit“.
Zum Zeitpunkt der Insolvenz steckte Fressnapf noch mitten im Rollout eines neuen Kassensystems, das in 23 Pilotmärkten implementiert wurde. Nach der Insolvenz von Enfore musste das Unternehmen jedoch kurzfristig umplanen. Aktuell laufen alle Kassen wieder mit der alten Software, während Fressnapf parallel an einer schnellen Lösung mit einem neuen Kassensystemanbieter arbeitet. „Wir wollen schnellstmöglich einen neuen Anbieter finden, der uns eine stabile Lösung bieten kann, die die Fiskalisierung in allen Ländern abdeckt“, betont Beinroth. Derzeit führe man Gespräche mit fünf potenziellen Anbietern.
Ein weiterer kritischer Punkt betrifft die Handheld-Geräte der Mitarbeiter. Derzeit kommen noch Tausende von „Donner“-Geräten von Enfore zum Einsatz. Diese möchte Fressnapf entweder weiter betreiben oder durch ein neues System ersetzen, was spätestens in anderthalb Jahren notwendig sein wird. Auch hier sind Gespräche mit neuen Anbietern im Gange.
Ein weiterer Aspekt der IT-Neuausrichtung betrifft die Filialwarenwirtschaft. In einigen Märkten testete Fressnapf bislang eine Lösung von Enfore, plant aber nun, auf das SAP-Zentralwarenwirtschaftssystem umzusteigen. „Die Logik und Prozesse sind bereits vorhanden. Jetzt suchen wir nach einem Implementierungspartner mit entsprechender Expertise“, so Beinroth. Bereits vor der Partnerschaft mit Enfore hatte Fressnapf erwogen, SAP Retail für die Filialwirtschaft zu nutzen, jedoch waren damals noch nicht alle Anforderungen erfüllt. Seitdem hat sich die Technik jedoch weiterentwickelt, und die Voraussetzungen sind nun gegeben.
Insgesamt bleibt Fressnapf seiner SAP-basierten IT-Architektur treu, wobei SAP Retail nach wie vor die Grundlage bildet. Der Übergang zu SAP S/4 Hana, der bereits in den letzten Jahren vorangetrieben wurde, soll nun weiter ausgebaut werden. Fressnapf ist laut Beinroth bereits zu 95 Prozent „ready for S/4“, die letzten 5 Prozent sollen bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. Im kommenden Jahr ist dann die Migration der Systemlandschaft geplant. Die Umstellung auf die neue Technologie wird zuerst durchgeführt, bevor eventuelle Prozessanpassungen vorgenommen werden, um eine unnötige Komplexität zu vermeiden.
Zusätzlich wird weiterhin der Rollout der Auto-Dispo- und Absatzprognose-Lösungen des Anbieters Relex vorangetrieben, um die Effizienz der Warenwirtschaft weiter zu verbessern. Trotz der unvorhergesehenen Herausforderungen durch die Insolvenz von Enfore ist Fressnapf zuversichtlich, dass die Umstrukturierung der IT-Architektur erfolgreich abgeschlossen wird und die Omnichannel-Strategie wie geplant fortgeführt werden kann.