Laut Informationen der „Immobilien Zeitung“ prüfen die Handelskonzerne derzeit, ob sie die Tegut-Standorte übernehmen können. Es bleibt jedoch unklar, ob diese Gespräche auf Eigeninitiative der beiden deutschen Unternehmen basieren oder ob sie auf Daten und Informationen beruhen, die ihnen von der Migros-Muttergesellschaft zur Verfügung gestellt wurden. Auf Nachfrage gab Rewe keine Stellungnahme ab, und auch Edeka äußerte sich nicht zu den Gerüchten. Das Bundeskartellamt, das bei großen Übernahmen eine Rolle spielen würde, erklärte auf Anfrage, dass es derzeit nicht in den Prozess involviert sei.
Tegut, ein Unternehmen mit Sitz in Fulda, betreibt rund 350 Filialen in mehreren Bundesländern, darunter Hessen, Thüringen, Niedersachsen und Baden-Württemberg. Die jährlichen Umsätze belaufen sich auf etwa 1,2 Milliarden Euro. Das Unternehmen hat in den letzten Jahren nicht nur eigene Märkte betrieben, sondern auch Lizenzpartner gewonnen, die ihre Filialen ohne Bedientheken führen. Zudem setzt Tegut zunehmend auf innovative Konzepte wie Containerläden, die rund um die Uhr im Selbstbedienungsmodus geöffnet sind, sowie kleinere „Lädchen“ auf dem Land und städtische Formate wie das „Tegut Quartier“.
Besondere Aufmerksamkeit erhielt Tegut aufgrund seiner Expansionsstrategie, die sich vor allem auf den Rhein-Main-Raum sowie die Region Stuttgart konzentrierte. Die Märkte befinden sich häufig in neuen, gemischt genutzten Gebäuden, die sowohl Wohnraum als auch Einzelhandelsflächen umfassen. Einige dieser Lagen sind städtebaulich äußerst gut platziert, etwa in Bad Homburg, Wiesbaden, oder in Frankfurt am Main. Ein Beispiel ist die Tegut-Filiale an der Frankfurter Konstablerwache, die mit Mietkosten von rund 42 Euro pro Quadratmeter etwa dreimal so viel kostet wie ein durchschnittlicher Standort im LEH. Diese hohen Mieten stellen einen erheblichen Druck auf die Rentabilität von Tegut dar.
Die finanziellen Schwierigkeiten des Unternehmens sind nicht neu. Seit der Übernahme durch Migros im Jahr 2012 hat es Tegut nicht geschafft, dauerhaft profitabel zu werden. Ein weiteres Beispiel ist die Fusion mit Tengelmann, die Tegut eine größere Marktpräsenz verschaffte, jedoch keine nachhaltige Rentabilität. Im Jahr 2020, während der Corona-Pandemie, erzielte Tegut den einzigen nennenswerten Gewinn seit der Übernahme. Zuletzt lief eine Vereinbarung, die Tegut finanzielle Unterstützung von Migros zusicherte, Ende 2023 aus.
Die Herausforderungen für Tegut wurden durch den Wechsel eines wichtigen Managers innerhalb der Migros-Gruppe verschärft. Jörg Blunschi, der die Übernahme von Tegut vorantrieb, verteidigte in einem Interview die Entscheidung und betonte, dass die strategische Ausrichtung weiterhin korrekt sei. Dennoch gab er zu, dass Tegut in den letzten Jahren von einer schlechten Konsumstimmung betroffen war, die sich negativ auf die Geschäftsentwicklung auswirkte. Trotz dieser Rückschläge zeigte Blunschi Zuversicht, dass die Aussichten für Tegut langfristig positiv bleiben könnten. Für Migros ist die Tegut-Übernahme der zweite Versuch, im deutschen Lebensmittelmarkt Fuß zu fassen, nachdem der erste Versuch mit den Rewe-Märkten 2013 gescheitert war.
Migros selbst äußerte sich zu den aktuellen Entwicklungen und erklärte, dass die Wettbewerbsbedingungen im Lebensmitteleinzelhandel sehr herausfordernd seien und daher Gerüchte über mögliche Übernahmen nicht ungewöhnlich. Das Unternehmen erklärte, dass Tegut aktuell ein umfangreiches Turnaround-Projekt initiiert habe, um die Wirtschaftlichkeit zu verbessern und die langfristige Zukunft des Unternehmens zu sichern. Das Sanierungsprojekt soll auf drei Jahre angelegt werden, wobei der Fokus auf der Verbesserung der operativen Effizienz liegt. Zur Unterstützung wurde das Beratungsunternehmen Alix Partners engagiert, um den Managementprozess zu beschleunigen und bei strategischen Entscheidungen zu beraten.
Trotz dieser Sanierungsbemühungen und der anhaltenden Herausforderungen bleibt Tegut ein attraktives Übernahmeziel, insbesondere aufgrund seiner strategisch gelegenen Filialen, die für andere Händler wie Edeka und Rewe von Interesse sein könnten. Die Entwicklung bleibt spannend, und es wird erwartet, dass weitere Gespräche in den kommenden Monaten stattfinden könnten.