Aldi Nord startet kassenlose Pilotfiliale

22. Juli 2022 – Aldi Nord eröffnet eine eigene Testfiliale für eine kassenlose Shop-Lösung. Die Hightech-Filiale in Utrecht kommt ohne Kassen oder irgendwelche Formen des Scannens aus. Die Essener folgen damit dem Ansatz von Amazon Go. Von Kunden aus den Regalen gegriffene Waren werden digital erfasst und automatisch abgerechnet, wenn der Kunde den Laden verlässt.

Quelle: Wikimedia Commons

In Utrecht öffnet Aldi Nord die Türen des ersten „Shop & Go“. In dem technologisch hochgerüsteten Laden erfassen zahlreiche Sensoren die Bewegungen der Kunden auf der 370 m² umfassenden Verkaufsfläche. Die dabei produzierten Daten werden von einer Computer-Vision-Software in Echtzeit ausgewertet. Damit entsteht eine digitale Repräsentation der verschiedenen Kunden im Laden sowie der Waren, die sich aktuell in deren Warenkörben befinden.

Aldi bewirbt gegenüber den niederländischen Kunden die Funktionsweise folgendermaßen: „Legen Sie Ihre Einkäufe direkt in Ihre Tasche. Sie können den Laden dann sofort verlassen.“ Die Technologie soll sogar verlässlich schnelle Bewegungen der Kunden registrieren. In die Regale zurückgestellte Waren werden ebenfalls wieder aus den digitalen Warenkörben entfernt. Beim Verlassen des Ladens wird automatisch ein digitaler Bon erstellt, der per E-Mail an den Kunden gesendet wird. Der ausstehende Betrag wird über die Kreditkarte des Kunden abgerechnet.

Um Zugang zum Laden zu erhalten, müssen sich Kunden am Eingang mit einem QR-Code anmelden, der durch eine Kunden-App generiert worden ist. Laut Aldi werden bei dem ganzen Prozess keine biometrischen Daten der Kunden gespeichert. Das Unternehmen beschreibt, dass die Kunden für das Computer-System lediglich mathematische Modelle sind. Die erhobenen Daten werden mit dem Verlassen des Ladens wieder gelöscht.

Der Teststore in Utrecht dient nicht nur dazu, die Reaktion der Kunden auf die neue Technologie zu studieren, sondern ist auch für Aldi selbst eine interessante Spielwiese, um zu verstehen, inwiefern kassenlose Shops und Hochtechnologie den künftigen Einkaufsalltag beeinflussen werden. Bei einem Presserundgang mit Sinanudin Omerhodzic, dem Chief Technology Officer (CTO) von Aldi Nord, kam die Frage auf, ob die Technologie denn bereits in den nächsten zehn Jahren für einen breiten Rollout bereit sei. Der Technologie-Manager ist sich unsicher und verweist vorrangig auf die schnelle Entwicklung im Hardware-Sektor: „Vor zehn Jahren wäre ein solches Geschäft undenkbar gewesen.“

Die Technologie für den Teststore bekommt Aldi Nord von dem israelischen Start-up Trigo. Das Unternehmen stellt bereits auch Technologie für Rewe, Netto Markendiscount und Tesco. Aldi beziffert die technologischen Investitionen für den 370 m² großen Laden auf 1 Mio. Euro. Für die umfängliche Erfassung der Kundenaktivität sind 470 Kameraeinheiten mit jeweils drei Linsen an der Decke installiert worden. Dazu kommen noch einmal 450 digitale Gewichtssensoren, die jeweils einen Teilbereich eines Regals abdecken und somit Daten darüber liefern können, wenn etwas in oder aus dem Regal genommen wird. Im Geschäft werden insgesamt 1.400 Artikel angeboten, darunter auch loses Obst und Gemüse.

Das Trigo-System basiert auf einem selbstlernenden Machine Learning-Algorithmus. Die für die Auswertung der Computer-Vision-Daten benötigte Rechenleistung befindet sich in einem Serverraum im Geschäft. Insgesamt sechs Monate lang musste das System trainiert werden, bis es rund 98 Prozent der Artikel richtig zugeordnet hat. In dieser Phase mussten Aldi-Mitarbeiter verschiedene Einkaufsszenarien immer wieder durchspielen, um dem System die richtigen Daten für das Selbstlernen zu liefern. Mit der Eröffnung des Ladens für einen erweiterten Kundenkreis beginnt somit auch eine neue, zweite Phase des Anlernprozesses. Bis die Systeme also weitestgehend fehlerfrei Arbeiten ist noch ein langer Weg zu gehen.